Grossraumbüro – neu gedacht

Wissenschaft
AutorIn: Ilona Schönle

Die leidige Diskussion Grossraumbüro Pro oder Contra ist ebenso überholt wie grösstenteils falsch, denn sämtliche althergebrachten Argumente ergeben einen hinkenden Vergleich.

Out und abgestanden und Warum das ganze Pro & Contra kalter Kaffee ist

Ein modernes und gut geplantes Open Space Konzept hat mit etwas, das gemeinhin als Grossraumbüro verschrien ist, ungefähr so viel gemeinsam wie eine Schiefertafel mit einem Laptop. Vorneweg: Grossraumbüros im Stile der klassischen USA Cubicles sind natürlich eindeutig schlecht, gehören aber ebenso eindeutig der Vergangenheit an.

Wer als Büroplaner und Innenarchitekt heute unterwegs ist, hat andere Vorstellungen und Herangehensweisen. Räume werden dabei als etwas so Individuelles betrachtet wie Unternehmensleitbild und Firmenwerte. Die Architektur erfüllt die expressionistische Funktion der Körpersprache einer Organisation und ist somit eine höchst persönliche Angelegenheit. Schlichte Übertragbarkeiten im Sinne von Copy & Paste sind zum Scheitern verurteilt. Denn jedweder räumlichen Veränderung ist eine entsprechend sorgfältige Veränderungsbegleitung in den Köpfen der Mitarbeitenden aber auch Führungskräfte voranzustellen.

Modern Open Offices versus schnöden Grossraum Wüsten erfordern nicht immer eine komplette Neuerfindung des inneren und äusseren Firmenauftritts, sondern oftmals sind es nur einzelne Gestaltungsmassnahmen und Eingriffe die Grosses bewirken. Ein Büro darf Büro bleiben und muss weder die Intimsphäre bedienen noch zur zweiten Heimat werden. Fest steht jedoch, dass produktiv-interaktives Wohlbefinden in Open-Office-Bereichen leichter zu gestalten und anzubieten ist, als in Einzelzellenbüros.

Schritt für Schritt - Auge und Ohr planen mit

Der kluge und fähige Planer oder Designer ist zugleich auch ein sehr guter Hinhörer und Beobachter. Dabei geht es zunächst um den Abgleich, ob das was der Kunde sagt, mit den eigenen Beobachtungen übereinstimmt. Für Büroplaner ist der stetige und ständige Austausch mit Entscheidern wichtig, respektive denjenigen Personen welche die Vision der Firma tragen und prägen und sowohl die Zukunft als auch das Ganze im Blick haben.

Konzepte, Ideen, Skizzen markieren die qualitäts-und stabilitätsorientierte, behutsame Vorgehensweise: Welche Stimmungen sollen erzeugt werden, wie finden diese Ausdruck und Form im Raum, welche Funktionen im Sinne von Prozessen und Bedürfnissen hinsichtlich bestehender und vor allem zukünftiger Arbeitsweisen und Aufgaben müssen erfüllt sein? Gelungen ist das Ergebnis einer sorgfältigen Planung vor allem dann, wenn nicht die Handschrift des Gestalters das Wesentliche ist, sondern der Charakter der Unternehmung erkennbar wird und Räume und Gebäude zu einer Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Arbeitgeber beitragen. Teilweise eröffnen sich dadurch Möglichkeiten, in der Öffentlichkeit auch ein ganz neues Bild der Organisation zu erzeugen.

Klassischer Building Code der Architektur: Oberflächen/Licht/Klima/Farben/Sicherheit

Allen Pamphleten und bisherigen Diskursen zum Trotz stehen nicht die Einflussfaktoren Lärm, Luft, Privatsphäre oder Beengtheit im Fokus, sondern schafft die Abwechslung den Unterschied zwischen einem funktionierenden, guten, schönen Büro oder dem Gegenteil davon- und das unabhängig von Anordnung oder Grösse. Eine schlechte Bürogestaltung ist gekennzeichnet durch nicht regulierbare Beleuchtungssysteme und eine fehlende Auswahl an Farbgebung und Haptik (z.B. ausschliesslich weisse oder graue Oberflächen, kein Materialmix, keine Eyecatcher). Es geht um das Durchbrechen von Monotonie und dem teils subtilen und unbewussten Wunsch nach Abwechslung. Denn die Sinne des Menschen sehnen sich nach Abwechslung und Fokuspunkten zur Orientierung. Die Bandbreite der Umsetzung ist vielfältig und kann von Abenteuerspielplätzen à la Google bis zu einer elegant-schlichten und zeitgemässen Lösung bei einem Traditions-KMU reichen.

Die Kunst der Planung und Realisierung besteht darin, Menschen einen Raum zu geben, in dem sie sich sicher und aufgehoben fühlen. Das Schaffen von Blickpunkten mit prägnanten Landschaften und funktionsorientierte Zonierungen bieten Null Chance auf Langeweile.

Treibender Motivator bei der Schaffung von Bürolandschaften als Ausdruck von Wertschätzung ist die Erzeugung von Wohlbefinden, im Gegensatz zur früher geforderten Maxime der Flächeneffizienz mit dem beabsichtigten Effekt von symbolischer Zusammengehörigkeit und mentaler Stabilität.

Die Herausforderung dabei: Die Balance zu finden zwischen ökonomischen Zwängen und menschlichen Wünschen: Beides ebenbürtige Rahmenbedingungen.

Der «Watercooler Effekt». Statt zufälliger Begegnungen, absichtsvolle Begegnungen

Das Corporate Office ist nicht mehr der einzige Ort der Aufgabenerfüllung, sondern einer unter mehreren wie Home-Office, Co-Working, Bahn, Flughäfen, Cafés. Der Einsatz digitaler Werkzeuge ermöglicht ein ort- und zeitunabhängiges Arbeiten. Teamstrukturen sind nicht mehr Standortgebunden, orientieren sich allenfalls an zeitlichen Restriktionen.

Moderne Büros benötigen digitale Infrastrukturen. Persönliche Arbeitsplätze werden abkömmlich, wenn keine speziellen Tools erforderlich sind. Jedoch ungestörtes, dh. konzentriertes und ruhiges Arbeiten sind umso elementarer.

 

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Ein Büro darf Büro bleiben und muss weder die Intimsphäre bedienen noch zur zweiten Heimat werden.