Es werde Licht: Die Rolle von Beleuchtung bei der Arbeit
Licht ist kein Nice-to-have. Es steuert unseren Biorhythmus, beeinflusst Konzentration, Stimmung und sogar unser körperliches Wohlbefinden. Ob wir vor Ideen sprühen, fokussiert sind oder nachmittags in ein Leistungstief rutschen – all das hat auch mit der richtigen Beleuchtung zu tun. Kurz: Licht ist ein stilles Produktivitäts- und Mood-Management-Tool.
Marco Singer, unser Experte für Beleuchtung, im Gespräch.
Ein Hebel mit grosser Wirkung
Licht ist einer der stärksten, oft unterschätzten Hebel für gute Arbeit. Doch Licht ist nicht gleich Licht. Entscheidend ist dabei nicht nur die Helligkeit, sondern die Passung von Licht zu Tätigkeit, Tageszeit und gewünschtem mentalem Zustand. «Tageslicht ist immer das bessere Licht als Kunstlicht. Es steuert unsere innere Uhr», sagt Marco Singer, Key Account Manager und unser Experte für Beleuchtung. «Kunstlicht sollte klug ergänzen, nicht stören». Was passiert, wenn Licht richtig eingesetzt wird, zeigt sich messbar: Eine Studie der Cornell University fand, dass Mitarbeitende in natürlich beleuchteten Umgebungen 56 % weniger Müdigkeit und 63 % weniger Kopfschmerzen berichten. Zudem konnte in einer Studie für das International Journal of Environmental Research and Public Health festgestellt werden, dass Büroangestellte in einer Bedingung mit optimiertem Tageslicht 42 % höhere Werte in kognitiven Simulationen zur Prüfung höherer Entscheidungsleistungen erzielten.
Die grössten Irrtümer
Rund um Bürolicht halten sich hartnäckige Mythen und sie kosten Leistung wie Wohlbefinden. Etwa die Annahme zur Helligkeit und Lichtfarbe: «Viele gehen davon aus, dass die Lichtfarbe verrät, wie hell eine Leuchte ist», sagt Marco. «Tatsächlich beschreibt die Lichtfarbe (Kelvin bzw. K) nur die Farbtemperatur – Helligkeit misst man u. a. in Lux.» Eine weitere Fehleinschätzung ist „Mehr Licht = besser“. Zu viel oder falsch gerichtetes, direktes Licht führt zu Blendung, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsabfall. Und auch die Zusammensetzung des Lichts macht viel aus. «Ein höherer Blauanteil aktiviert – das kennen wir von Handy- und TV-Bildschirmen am Abend. Wer sich zu lange ‚bestrahlen‘ lässt, bleibt wach und schläft später schlechter ein.»

Licht für unterschiedliche Aufgaben
Ideen finden, kritisch prüfen, fokussiert abarbeiten – jede Tätigkeit braucht ihre eigene Lichtstimmung. Für kollaborative Phasen und Ideenfindung wirkt wärmeres, atmosphärisches Licht oft öffnend (ca. 3 000 K), während neutral-kühle Lichtfarben um 4 000 K die Wachheit und Präzision im Fokusmodus unterstützen. «Allerdings hängt das auch vom persönlichen Empfinden ab. Mir sind z. B. 5 000 K zu grell, weil für mich der Blauanteil zu hoch ist», sagt Marco. «Praktisch heisst das: Räume und Zonen sollten dimmbares, einstellbares Licht bieten, damit Teams je nach Aufgabe zwischen warmen und neutral-kühlen Szenen sowie persönlichem Empfinden wechseln können.» Für konzentriertes Arbeiten empfiehlt Marco ausserdem eine gleichmässige Ausleuchtung, «sonst muss das Auge ständig zwischen hell und dunkel korrigieren, was müde macht und Kopfschmerzen begünstigt.»
Technik & Planung – pragmatisch statt überplant
Für die meisten Büros braucht es keine High-End-Lichtregie, sondern klare Eckwerte und einfache Regeln. Per se gilt: An jedem Büroarbeitsplatz sollten im Mittel 500 lx vorhanden sein und die Umgebung sollte ca. 300 lx (Lux = Einheit der Beleuchtungsstärke) haben. Somit werden u. a. Lichtinseln vermieden. Besonders gegen Abend, wenn wenig Tageslicht bleibt, verhindert dies ständiges Nachfokussieren der Augen – Ermüdung und Kopfschmerzen sinken.
Planerisch setzt Marco auf Flexibilität und Blendarmut: «Grundsätzlich empfehle ich am Arbeitsplatz eine Beleuchtung mit hohem Indirektanteil. Stehleuchten eignen sich hier besonders – sie generieren weiches, augenfreundliches Licht und lassen sich bei wechselnden Layouts einfach umstellen. Tischleuchten nur bei Bedarf ergänzen; Deckenleuchten sorgen fürs allgemeine Raumlicht und werden über den gesamten Raum auf die Ziel-Beleuchtungsstärke ausgelegt.»
Im Open Space hilft eine klare, leicht lesbare „Codierung für verschiedene Tätigkeiten
- Generell eine gleichmässige Grundbeleuchtung
- spezifische Beleuchtung für Arbeitsplätze
- ergänzende Beleuchtung durch Spots oder abgehängte Leuchte, um spezielle Bereiche lichttechnisch und visuell abzugrenzen

Individuelle Bedürfnisse miteinbeziehen
Gutes Licht ist individuell. «Jeder hat ein anderes Empfinden für Licht, Beleuchtungsstärke, Lichtfarben etc. – und das muss die Planung widerspiegeln. Besonders ältere Mitarbeitende benötigen deutlich mehr Licht als jüngere; auch Sehhilfen verändern den Bedarf», so Marco. Damit Planung zur Ermöglichung statt zur Einheitslösung wird: einstellbare Beleuchtung direkt am Platz, idealerweise mit Dimmfunktion und Tunable White (warm–neutral–kühl). Ergänzend helfen individuelle Arbeitsleuchten mit blendfreier Optik, damit jeder sein persönliches „Sweet Spot“-Setting findet, ob mit oder ohne Sehhilfe.
Damit es dauerhaft passt, gehört die Licht-Nutzung zudem ins Konzept: kurze Onboarding-Guides („Welches Licht wofür?“), Presets pro Zone („Fokus“, „Meeting“, „Brainstorm“), saisonales Feintuning (mehr Tageslicht-Unterstützung im Winter), plus ein Feedback-Loop nach dem Einzug. So wird Licht nicht nur „hell genug“, sondern spürbar richtig – für jede Person, jede Aufgabe, jeden Tag.
Trends & Zukunft
Kreislaufwirtschaft und intelligente Beleuchtung spielen laut Marco künftig eine noch bedeutendere Rolle: «Immer mehr Leuchten werden mit Fokus auf Kreislaufwirtschaft entwickelt und gefertigt – sprich Einsatz von nachhaltigen Rohstoffen und/oder die Wiederverwendung der Rohstoffe durch Recycling. Parallel wächst der Bereich der smarten Beleuchtung: Es werden bereits heutzutage viele Daten durch Leuchten gewonnen, etwa Luftqualität, Lautstärke und Temperatur. Hier wird zukünftig noch viel mehr Vernetzung mit der Gebäudeautomation stattfinden.»