Wie wir arbeiten sollen und wollen
Macht Rasenmähen kreativ?
Ein Arbeitskollege beeindruckt immer wieder durch hervorragende und ungemein unterhaltsame Präsentationen. Keine ist wie die andere, sogar zum selben Thema überrascht er immer wieder mit neuen aktuelleren Bezügen, Zitaten oder Bildern. Beeindruckend. Klar so etwas erfordert Kreativität, Zeit und konzentriertes Arbeiten. Gerade letzteres fällt vielen im alltäglichen Büro- und Arbeitsalltag, schwer. Mir auch. Ich frage ihn also, wann oder wo er die Ideen für seine genialen Vorträge bekommt und vor allem wann er diese dann zu Papier bzw. auf den Bildschirm bringt. Die Antwort: «Die Ideen habe ich meistens beim Rasenmähen und am besten konzentriert arbeiten kann ich morgens zuhause zwischen 5 Uhr und 7 Uhr». Da komm ich regelmässig in einen Flow.» Erstmal «hmmm».
Flow oder das Glücksprinzip
Der Begriff «Flow» wurde von dem Psychologen Mihály Csíkszentmihályi durch sein gleichnamiges Buch geprägt (siehe auch Office Symposium 2016/Sybilla Amstutz). Er versteht darunter einen Zustand voller Energie, Produktivität und Glück. Wer im Flow ist, geht völlig in seiner Tätigkeit auf. Flow ist ein Zustand hoher Motivation und Konzentration. Und macht auch noch Spass. Warum sind aber diese Flow Erlebnisse im regulären Arbeitsalltag so selten?
Schein oder sein
Nicht wenige der modernen Wissensarbeitenden klagen am Ende des Tages, dass sie zwar viel gearbeitet, aber nichts oder zu wenig von ihrer eigentlichen Arbeit geschafft hätten. Auch ich kenne dieses Gefühl nur zu gut. Ein aufmerksames Sich selbst beobachten ergibt, dass man intensiv beschäftigt ist mit Austausch und Kommunikation – entweder informell oder in Meetings – und mit der Beantwortung von E-Mails oder Anrufen. Alles also tendenziell eher kurztaktike und oberflächliche Aufgaben, die den kompletten Arbeitstag fragmentieren und einen obendrein auch noch stressen. Gemäss dem aktuellen und ziemlich guten Buch «Deep Work» des Amerikaners Cal Newport ist das jedoch keine Arbeit im klassisch produktiven Sinn. Echte Arbeit, so Newport könne nur in einem Zustand längerer Konzentration entstehen. Er selbst behauptet von sich, dass er in wenigen konzentrierten Stunden seine Arbeit erledigen könne und zwar dadurch dass er sich fokussiere. Mails werden einmal am Tag und innerhalb einer Stunde bearbeitet, Besprechungen hat er auf eine die Woche reduziert. Newport schreibt, dass es vielen gar nicht bewusst ist, wie oft sie ihre Arbeit durch Unwichtiges unterbrechen.
Zurück an die Arbeit!
Es scheint sich jedoch, zumindest in manchen Unternehmen, langsam ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass hier etwas falsch läuft. Wenn also «Theatertätigkeiten» die wertschöpfenden Tätigkeiten übersteigen, wie der Unternehmensberater Lars Vollmer das nennt. Aber es liegt eigentlich auf der Hand, dass wer den ganzen Tag in Meetings hockt, Mails checkt, telefoniert und sonst wie abgelenkt arbeitet, sich im Prinzip mehr auf Stress, Konflikte und Probleme fokussiert als auf seine eigentliche Aufgabe. Das Ergebnis ist, dass wir am Ende des Tages erschöpft und abgearbeitet, aber nicht klüger und schon gar nicht zufrieden sind. Dabei geht um mehr als nur darum wie und ob wir im Büro ein bisschen Zeit vertrödeln. Es ist die Frage ob wir unsere Arbeit als sinnstiftend und erfüllend erleben. Gesundheitsförderliche Büroräume, die den Mitarbeitenden Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten bieten, könnten ein Teil der Lösung sein. Oder aber, für diejenigen, denen die besten Ideen beim Rasenmähen kommen, die Möglichkeit, räumlich-zeitlich unabhängig, also «smart zu worken».
AutorIn: Ilona Schönle