Zirkulär denken, zukunftsfähig handeln
Kreislaufwirtschaft ist kein Nice-to-have, sondern Zukunftsmodell: Für Europa wird der Umstieg auf zirkuläre Modelle bis 2030 von McKinsey mit netto 1,8 Billionen € zusätzlichem wirtschaftlichem Nutzen beziffert – durch neue Geschäftsmodelle, Ressourceneffizienz und geringere Inputkosten. Gleichzeitig entstehen bis zu 700 000 neue Jobs und schon heute arbeiten > 4 Mio. Menschen in zirkulären Sektoren der EU. Zirkularität schafft Innovation, neue Wertschöpfung und messbare Wirkung. Genau dort setzte unser Event «RE:THINK SPACES: Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell» an: vom theoretischen „Big Picture“ über den Weg ins Tun bis zu Best Practice und frischen Impulsen.
Big Picture Schweiz: Wo wir stehen
Tobias Stucki, Professor für Circular Innovation and Sustainability an der Berner Fachhochschule, präsentierte Ergebnisse seines neuesten Reports zum Status der Schweizer Kreislaufwirtschaft: Rund 10 % der Unternehmen setzen Kreislaufwirtschaft bereits spürbar um; etwa jedes vierte hat Zirkularität substanziell im Geschäftsmodell verankert. Das zeigt: Der Wille ist da – doch viele kommen noch zu selten ins konkrete Tun. Wichtige Treiber sind Nachfrage, Kosten und politische Rahmenbedingungen. Hürden bleiben Fachkräftemangel, Investitionen und Marktunsicherheit. Der Wandel braucht Zeit und Ausdauer: Lerneffekte allein räumen Barrieren nicht automatisch aus dem Weg – wir stehen am Anfang eines langfristigen Transformationspfads.

From Thinking to Doing: Handlungsimpulse für Unternehmen
Nach dem „Warum“ zeigten Eva Bucherer, Beraterin bei Circular Business Models und Manuela Peter, Researcher und Developerin bei unserer New Work Academy konkret, wie das »Wie» aussehen kann und wie Unternehmen erste Schritte vornehmen können: Mit der These Nachhaltigkeit ist das Ziel – New Work das Betriebssystem identifizierten sie drei konkrete Handlungsfelder.
- Inspiration als Ausgangspunkt: Fakten allein bewegen selten – es sind positive Visionen und greifbare Erfolgsgeschichten, die Energie freisetzen. Etwa das Beispiel ROHI × 13 Rugs: Aus sonst entsorgten Webkanten entstehen hochwertige Designteppiche – 100 % Materialeinsparung, neue Kundensegmente, Individualisierung und regionale Wertschöpfung. Damit aber Inspiration ins Handeln führt, braucht es ein Experimentier-Mindset und die richtigen Rahmenbedingungen: psychologische Sicherheit, Neugierde und das Ausprobieren kleiner Veränderungen. So wird Inspiration zum Startpunkt einer neuen Praxis.
- Kollaboration statt Silos: Zirkularität gelingt nicht allein. Sie braucht alle Funktionen – vom Produktdesign über Finance und Facility bis zum Abfallmanagement – und Führung, die es sichtbar vorlebt. Intern heisst das: Bottom-up Raum geben, erst Ideen teilen, dann gemeinsam entwickeln; extern heisst es: Ökosysteme aktivieren – mit Lieferanten, Wettbewerbern, Kund:innen und Expert:innen. Kollaboration braucht zudem Orte: neutrale, zugängliche, flexible Räume, die Austausch erlauben und sich verändern dürfen – so entstehen Synergien wie etwa im Handelz im Kaiserhaus in Bern – wo mitten in der Innenstadt ein Retail / Atelier / Manufaktur und Zirkularitäts-Reallabor entsteht. Oder das Frankareal in Basel – wo früher von Thommy Mayonnaise produziert wurde. Diese physischen Orte ermöglichen den Austausch und die Zusammenarbeit auf «neutralem Boden» . Im Frankareal kommen Wohnen, Kultur und Arbeiten – mit dem Fokus auf das Thema Kreislaufwirtschaft zusammen
- Zukunftskompetenzen: Kreislaufwirtschaft ist mehr als ein Produkte-Feature – sie ist eine Unternehmensstrategie. Konkret heisst das: Geschäftsmodelle prüfen und Services aufbauen. Wichtig ist ein klarer Zielstern und die Bereitschaft, Annahmen zu testen und bei Bedarf zu ändern. Das Beispiel Cloud Sofa zeigt, wie das geht: Ein echtes Problem (in der Schweiz werden jährlich rund 1 Mio. Matratzen entsorgt) in einen Pilot übersetzen, passende Partner an Bord holen und Schritt für Schritt lernen. Wir können uns also nicht alleine auf unsere Fachkompetenzen verlassen. Mehr denn je sind Teams gefordert, kreatives, analytisches und systemisches Denken sowie Selbstwirksamkeit (Neugier, Flexibilität, Motivation) auszubauen. Unser Tipp zum Einstieg: Je vielfältiger unser Wissen ist, umso mehr Quellen haben wir, wenn wir Ideen brauchen.

| Was kannst du konkret tun? | |
| Mindset & Kultur | Ein inspirierendes Beispiel sichtbar machen |
| Kollaboration | Eine neue Kollaboration starten |
| Zukunftskompetenzen | Eine Zukunftskompetenz fördern |
Bürodesign zirkulär gedacht
Bram Maarleveld, Head of Business Development beim Möbelhersteller Ahrend, zeigte im anschliessenden Deep Dive, wie Kreislauf im Möbelsektor skalierbar wird: Produkte werden so gestaltet, dass man sie leicht zerlegen und austauschen kann (Design for Disassembly, Modularität – z. B. der Remode Chair). Leichtbau senkt Materialeinsatz und Emissionen (bei der Telefonkabine Qabin bis zu –30 % CO₂ gegenüber dem Markt). Dazu kommt ein Service-Baukasten, der die Nutzungsdauer deutlich verlängert: Refurbishing, Take-back, Revived (Second-Life), kundenspezifisches Refurbishment und Furniture-as-a-Service.
Die Wirkung lässt sich messen: bis zu –81 % CO₂ pro Stuhl und –96 % pro Tisch im Vergleich zu Neuware. Leuchtturmprojekte wie das Booking.com HQ in Amsterdam (Weiterverwendung/Refurbishment bestehender Möbel) und das Unilever Foods Innovation Center in Amsterdam zeigen, dass das in grossem Massstab funktioniert.

Die beste Zeit ist Jetzt – kommen wir ins Tun
Der Wille ist in der Schweiz vorhanden, doch zwischen Anspruch und konsequenter Umsetzung gibt es noch eine Lücke. Als eines der innovativsten Länder der Welt verfügt die Schweiz jedoch über klare Wettbewerbsvorteile, die sie in nachhaltige Wertschöpfung übersetzen kann. Dafür braucht es jetzt den Schritt vom Reden und Denken ins breite Handeln: Kreislaufwirtschaft entfaltet Wirkung, wenn sie erlebbar ist, gemeinsam gestaltet und von den richtigen Fähigkeiten vorangetrieben wird. Best Practices aus Ländern wie den Niederlanden zeigen, dass Skalierung gelingt. So werden aus ersten Schritten verlässlich Momentum und aus Momentum eine Strategie, die Resilienz stärkt, Emissionen senkt und spürbaren Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeitende schafft.